Steinzeit mal ganz anders: Mit Blaulicht zur Pilzkontrolle
Pilzsachverständiger | |
Reinhard Küßner | |
Telefon: | 0 30/93 77 21 10 |
E-Mail: | reinhard@kuessner.org |
Feuer aus dem Wald
Stand: Oktober 2020
So stellt man sich die steinzeitlichen Menschen vor: Sie hocken vor ihren Höhlen und reiben stundenlang Hölzer, um zum erhofften warmen Essen zu kommen. Doch war das wirklich so? Ein Ahrensfelder hat jetzt entdeckt, dass es damals schon viel bequemer zuging!
Das ermöglicht ein Baumpilz, der damals wie heute an
Birken und Buchen wächst.
„Mit dem ‚Zunderpilz‘ kommt man sehr schnell zum Feuer. Das wussten schon die frühen Menschen. Ein großer Vorteil ist, dass er sehr lange weiterglimmt“, erklärt Reinhard Küßner.
Allerdings nimmt er bei seinen Waldführungen meist eine
Lupe als Brennglas zum Anzünden zu Hilfe.
Brennender Stahl
Sollte mal keine Sonne scheinen, hat er noch eine ganz
moderne Methode auf Lager: Er hält eine kleine Blockbatterie an eine Stahlputzwolle aus dem Baumarkt.
Die steht sofort in Flammen und gibt dem ‚Zunderschwamm‘, wie der Baumpilz offiziell heißt, so richtig Zunder: „Auf den Verpackungen wird heute vorallem Möglichen und Unmöglichen gewarnt. Dass diese Putzwolle derart feuergefährlich ist, steht nirgends. Man stelle sich nur vor, Papa wirft das Teil nach Benutzung in die Tonne und Sohnemann entsorgt einen vermeintlich leeren Akku hinterher. Schon wäre ein Brand ausgelöst!“
Tricks aus Schweden
Auf „Tricks“ dieser Art ist der Bio- und Englischlehrer aus Lichterade gekommen, als er sich zum Geburtstag ein Outdoor-Überlebenstraining in Schweden geschenkt hatte.
Diese Pilz-Erkenntnis hat ihm dabei gerade noch in seinem Wissen gefehlt. Schließlich hat er sich bereits als Jung-Lehrer zum Pilzsachverständigen ausbilden lassen. „Ich durfte immer die fünften und sechsten Klassen an unserer Grundschule unterrichten. Es war mir wichtig, den Bio-Unterricht mit praktischen Erkenntnissen zu untermalen. Statt an der Tafel zu erklären, gingen wir viel lieber ins Freie. Dabei fanden wir oftmals Pilze. Das löste bei den Eltern regelmäßig große Unruhe aus, weil sie Angst hatten, ihre Kinder würden vergiftet. Da in Deutschland alles von einem ‚Zettel‘ abhängt, ließ ich mich zum Pilzsachverständigen ausbilden. Damit glätteten sich die Wellen sofort“, erinnert sich der heute 75-Jährige.
Zuhause in Ahrensfelde
Er wohnt mit Ehefrau und Lehrerkollegin Bärbel Küßner seit gut 20 Jahren im Eigenheim
in Ahrensfelde. Er fühlt sich dem Ort aber weitaus länger verbunden: „Unser heutiges Grundstück hatte Opa 1928 gekauft. Allerdings gab es mit dem Mauerbau für uns als Westberliner keine Möglichkeit mehr, herzukommen.“
Opakiller
Die Großeltern waren übrigens ebenfalls Pilzliebhaber, was ihnen aber möglicherweise schlecht bekommen ist: „In der Nachkriegszeit gab es
wenig zum Essen. Pilze waren also eine gefragte Delikatesse. Bei uns gab es besonders viele Kahle Kremplinge. Wie man heute weiß, führen die zu Veränderungen im Blut. Ein paar davon zu essen, ist kein Problem, doch irgendwann verzehrt man den einen Pilz, der das Fass zum Überlaufen, also den Kreislauf zum Zusammenbrechen, bringt. Meine Großeltern starben nach dem
Genuss einer großen Menge dieser Pilze kurz hintereinander. Damals wurde die Ursache natürlich nicht bemerkt. Bei uns in der Familie heißt der Pilz seitdem ‚Opakiller‘. Er war lange Zeit ein ‚Marktpilz‘, der vielfach verkauft wurde. Heute gilt er als giftig.“
Kostenloser Rat
Als offizieller Pilzsachverständiger kann Küßner kostenlos konsultiert werden. „Generell empfehle ich Anfängern, nur Schwammpilze, also Röhrlinge, zu sammeln. Darunter gibt es keine giftigen Exemplare. Steinpilze und Maronen sind bei uns heimisch und sehr
lecker. Schlimmstenfalls erwischt man einen Gallenröhrling, der eklig schmeckt, aber keine Gesundheitsschäden verursacht“, lautet ein einfacher Tipp des Fachmanns.
„Pfifferlinge sind ebenfalls leicht zu erkennen, aber mittlerweile so übersammelt,
dass sie praktisch nicht mehr
vorkommen. Bei ‚Champignons‘ muss man sehr aufpassen. Haben Pilze, die so aussehen, weiße Lamellen, dann Hände weg, sie sind
mit hoher Wahrscheinlichkeit giftig, wie etwa die Knollenblätterpilze.“
Sein Rekordjahr hatte Reinhard Küßner 2019. „Da gab es wegen der feuchten Witterung eine große Pilzschwemme und entsprechend viele Anfragen.“
Blaulicht-Einsatz
Dank Reinhard Küßner kommt durchaus schon mal Bewegung in die sonst sehr ruhige Bahnstraße: „Eines
Tages kam ein Streifenwagen mit Blaulicht und Sirene. Er hielt vor meiner Haustür. Die wollten mich aber nicht abführen, sondern hatten einen Eimer mit Schirmpilzen dabei. Davon war es einem ihrer Kollegen schlecht geworden. Das war kein Wunder, denn sie waren überlagert, was zu einer Zersetzung des Eiweißes wie beim Fleisch führt. Dies kann eine Lebensmittelvergiftung nach sich ziehen.“
Reinhard Küßner erinnert sich, wie er vom nahen Krankenhaus angerufen wurde, weil ein Patient einen Tobsuchtsanfall hatte und nicht zu beruhigen war: „Der hatte einen Fliegenpilz gegessen und zeigte die typischen Symptome. Früher hatte man das bewusst eingesetzt, um Soldaten in Kampfstimmung zu bringen“, weiß Küßner schon wieder eine interessante Geschichte.
Grünes Paradies
Da lohnt sich ein Besuch also schon wegen der vielen überraschenden Erkenntnisse, selbst, wenn man gar keinen Pilz im Korb hat. Zudem ist sein Garten mit dem Froschteichsystem, dem für die achtjährige Enkelin Sonja Küßner konstruierten Baumhaus, dem gemauerten Brotbackofen, dem Nutzgarten und der Bienenweide ebenso ein Ausflugstipp wie die raffinierte Regenwasser-Bewässerungsanlage, die für sattes Pflanzenwachstum völlig ohne elektrische Energie sorgt!
Doch bei allem grünen Daumen, eines ist dem Pilzsachverständigen von Ahrensfelde nicht gelungen, nämlich selbst Pilze zu züchten. „Ich habe es mal mit Austernpilzen versucht, doch leider ist daraus nichts geworden. Die Brut wurde einfach überwuchert, die Natur war stärker!“